Die Kunst des 16.Jahrhunderts in der Steiermark liegt fernab von den epochemachenden und künstlerisch-schöpferischen Zentren dieses Jahrhunderts. Während sich in Italien schon zu Beginn des Jahrhunderts das Ringen nach einer Loslösung von den klassischen Idealen klar ab- zeichnet und in raschen und entschiedenen Schritten einer Stilrichtung zusteuert, die wir als Manierismus bezeichnen, wird in der Steiermark die Gotik in einer recht spezifisch-eigenen Spätphase weiter geübt. Diese erste Feststellung trifft Wesentliches und besagt vor allem das Fehlen des in Italien bereits seit einem Jahrhundert währenden Prozesses der Wiedergeburt der Antike, der Renaissance.

    Das künstlerische Gestalten in der Steiermark setzt somit mit Spätformen der Gotik ein, die nach und nach mit Formelementen bereichert werden, die Renaissancecharakter tragen (vgl. etwa das Portal des Grazer Landhauses in der Schmiedgasse oder auch die Doppelfenster des Hauses Nr.12 in der Sackstraße, wo gotische mit renaissancehaften Elementen verbunden werden). Diese Renaissanceformen kommen dort zur Geltung, wo entweder Künstler am Werk sind, die in Reisen nach Italien neue künstlerische Eindrücke gesammelt haben, oder es sind überhaupt italienische Künstler, die in die Steiermark berufen werden. Naturgemäß ist daher das künstlerische Geschehen in der Steiermark anders als in den Zentren der Kunst. Die heimischen Künstler zeigen sich abhängig: einmal von Kunstformen des Nordens - die Begründung liegt in der Suche nach gegenständlichen Vorlagen wie in der schulhaften Verbundenheit mit der nordischen Kunst schlechthin - , fürs andere sind sie aber auch vom Süden abhängig, der die Formen vermittelt, die dem Künstler unserer Zone ansprechend und erstrebenswert erschienen.

    Die Zeugen der Renaissance wirken oft nur wie Einsprengsel in mittelalterlichen Bausubstanzen; sie repräsentieren aber deutlich den neuen Bauwillen, den aufgeschlossenen Geist der Auftraggeber und reich gewordener Hausbesitzer. Sie machen zudem den Anspruch deutlich, der vom wohlhabend gewordenen Bürgertum ausging. Im allgemeinen hielt sich diese bürgerliche Renaissance bescheiden zurück, es gibt aber doch auch bemerkenswerte Ausnahmen.

    Der Geist der Renaissance läßt sich nicht nur in der Residenzstadt Graz aufspüren, auch ins Land drang er vor; das sogenannte "Duscherhaus" in Schöder bei Murau sei genannt, wo die Doppelbogenfenster aus der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts eine deutliche Sprache reden. Fenstermotive dieser Art (siehe auch Schloß Stadl bei Murau) gehen auf den wichtigsten steirischen Baumeister des 16.Jahrhunderts, auf dell'Allio, zurück.

    Bastionen und Festungen gehörten ebenso zum Repertoire der Baumeister wie Stadtpalais und Schlösser. Auch für den Festungsbau holte man sich Baumeister aus Oberitalien. "Die planmäßige Berufung der Italiener geschah im Zuge der großen Befestigungsanlagen, die durch die stän- dige Türkengefahr notwendig wurden" (H.Riehl). Sogar an den bewehrten Toren der Städte sind künstlerische Akzente spürbar. Martialische Fassaden und Bastionen sollten die Bürger einer Stadt von der mitunter kriegerischen Außenwelt optisch abschirmen und auch demonstrieren, daß man zur Wehrbereitschaft entschlossen war. So erinnert das intakt gebliebene, bereits frühbarocke Paulustor (1606 bis 1614) in Graz unmißverständlich und deutlich an diese martialisch-militärische Haltung. Ohne italienische Vorbilder sind solche Stadttore nicht denkbar. (Möglicherweise kommt Michele Sanmichelis "Porta Nuova" (1535 - 1540) in Verona als ein Vorbild für das Grazer Paulus- tor in Frage.) Selbst Portale privater adeliger Palais (Goess-Saurau, beg.1566) zeigen mitunter eine martialische Note, ein durchaus kriegerisches Gesicht.

    Besondere Verdienste als Festungsbaumeister hat sich Domenico dell'Allio (geb.um 1515 - 1563) aus Lugano erworben. Deutsche Namen hingegen nehmen sich in der Vielzahl der italienischen Baumeister als Seltenheit aus, und man hat deshalb von der "Verwelschung der Baumeisterzunft" (J.Wastler) gesprochen.

    Domenico dell'Allio, als Sproß einer großen Künstlerfamilie geboren, verwendete im Grazer Landhaus die Pfeilerarkade als "Leitmotiv" der heimischen Renaissancearchitektur, ist aber nicht nur als Baumeister des wichtigsten Grazer Monuments hervorzuheben. Dieser um 1560/70 entstandene Bau, dessen Fensterformen (Biforien und Triforien) angeblich auch in Nordkroatien traditionell "dell Allijev-Fenster" genannt werden, besticht vor allem durch die Harmonie seiner mehrgeschossigen Pfeilerarkaden. Es ist für diese Bauten auffallend, daß "die architektonische Gliederung und ihre Proportion über den Dekor" (R.Wagner-Rieger) dominieren. Dell'Allios Vater war unter anderem auch in Radkersburg tätig, die beiden Brüder in Marburg (Maribor) und in der ehemaligen Untersteiermark. Hauptwohnsitz Domenicos wurde Graz, seinem Hauptwerk, dem Land- haus, gebührt sicherlich die größte Aufmerksamkeit.

    Neben dell'Allio waren so bedeutende Baumeister wie Pietro Ferrabosco in der Steiermark tätig, der in Wien den Amalientrakt der Hofburg errichtet hat und zudem mit Umbauplänen für das Stift Admont nachweisbar ist.

    Die Bildhauerei hat im 16.Jahrhundert hierzulande keine nennenswerten Beispiele hervorgebracht.

    Fresken in Bad Aussee

    Die Malerei war in der Zeit der Gegenreformation nicht nur ein probates Mittel, Programme und  Inhalte am anschaulichsten zu transportieren und zur Wirkung zu bringen, sie erfüllte um 1600 ihre Aufgabe ganz im Sinne der Politik und Kirche. Künstler waren häufig Propagatoren der Religion, während die Programme oft von gelehrten Humanisten stammen. Vier Freskenzyklen gelten als wert- volles Gedankengut der Reformationszeit: Bad Aussee/ehemalige Spitalskirche, Ranten, Burg Strechau und Murau/Stadtpfarrkirche. Die Ausmalung der ehemaligen Spitalskirche in Aussee, angeblich von 1554 bis 1558 im Auftrag Kaiser Ferdinands I. entstanden, zeigt viele ikonographische Besonderheiten. Ausführender Künstler war vielleicht der aus Salzburg stammende Hans Bocksberger d. Ä., dessen Hauptwerk die malerische Ausstattung des Schlosses Neuburg an der Donau (1545) ist. Höchst bemerkenswert erscheint es, daß hier das System der schon im Mittelalter üblichen typologischen Gegenüberstellung (Typus-Antitypus) von biblischen Themen des Alten und Neuen Testaments wieder aufgegriffen wurde. Diese Typologie sieht eine exemplarische Auswahl alt- und neutestamentarischer Inhalte (z.B. "Eherne Schlange" - "Kreuzigung Christi", Errettung des Propheten Jonas" - "Auferstehung Christi" etc.) vor. Unmittelbare Vorbilder dieser  Themen finden sich schon bei Lucas Cranach d.Ä. (1472-1553) und vor allem in der Druckgraphik.

    Die Kunst im Zeitraum von 1550 und 1600 steht im Banne einer theologisch-geistigen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung. In diesem Kontext muß auf die Bedeutung der wiss.Formulierung der Ellipse Keplers hin- gewiesen werden. Der elliptische Grundriß der Grabkapelle des Mausoleums (Baumeister de Pomis), deren Gruftraum als Grablege angelegt ist, kann möglicherweise als eine Art Reflex auf Keplers Konzeption der Ellipse angesehen werden.

     

    Literatur:

    Wilhelm Steinböck "Joh.Kepler 1571-1971" Gedenkschrift der Universität Graz, Leykam-Verlag Graz 1975

    Wastler Josef "steirisches Künstlerlexikon" Graz 1883 Kurt Woisetschläger "Giovanni Pietro de Pomis"
    1569-1633 Styria 1974

    Gottfried Biedermann, Kurt Roth "Schatzkammer Steiermark" Styria 1992

    Fritz Popelka "Geschichte der Stadt Graz" Graz 1928

    Peter Krenn "Zur Malerei i.d.Stmk.in der Zeit um 1550- 1630", 1967

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